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"Spaß an der Aktivität ist das Wichtigste"

Tanzend den Kopf trainieren

Das Gehirn fit zu halten ist gut für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden. Warum das so ist und warum geistige Bewegung auch das Risiko senken kann, an Demenz zu erkranken – das verrät Dr. Anne Pfitzer- Bilsing, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative e. V., dem Bundesverband von mehr als 130 Alzheimer-Gesellschaften.

Unterhaching, 21. August 2025

ALTERNOVUM: Frau Dr. Pfitzer-Bilsing, wie wichtig ist Bewegung – körperlich wie geistig – für ein gesundes Altern?

DR. PFITZER-BILSING: Körperlich und geistig fit zu bleiben ist essenziell für ein gesundes Altern. Körperliche Bewegung und Training schützen vor körperlichen Einschränkungen im Alter. Die geistige Fitness darf ebenfalls nicht zu kurz kommen: einem Hobby nachzugehen, das im Idealfall Denken und Bewegen kombiniert, Familie oder Freunde zu treffen oder mit ihnen zu telefonieren sind tolle Möglichkeiten, aktiv zu sein und zu bleiben.

In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit. Was sagen aktuelle Studien darüber, wie stark wir unser Demenzrisiko selbst beeinflussen können?

Laut aktuellen Studien können bis zu 45 Prozent aller Demenzen durch einen bewussten Lebensstil verhindert werden. Zu den Vorbeugemaßnahmen, die in unserer Hand liegen, zählen lebenslange Bildung, der Ausgleich einer Hörschwäche durch ein Hörgerät, ein gesunder Cholesterinspiegel, die Behandlung einer eventuellen Depression, die Vermeidung von Kopfverletzungen, körperliche Bewegung, die Behandlung einer eventuellen Diabetes-Erkrankung, nicht zu rauchen, eventuellen Bluthochdruck behandeln zu lassen, ein Gewicht im Normalbereich, Alkohol nicht exzessiv zu konsumieren, soziale Isolation zu vermeiden, Luftverschmutzung auszuweichen und eine eventuelle Sehschwäche auszugleichen.

Immer wieder hört man: Sport könne das Demenzrisiko senken. Tatsächlich zeigen Metaanalysen, dass regelmäßige körperliche Aktivität den kognitiven Abbau abschwächt und das Risiko für Demenzerkrankungen verringert. Wie gestaltet sich dieser präventive Effekt nach aktuellem Wissensstand, und wie hoch ist Ihre Hoffnung, dass Bewegung Demenz im Alter vorbeugt?

Menschen, die körperlich inaktiv sind, haben laut der Lancet-Studie erst mal ein 2 Prozent erhöhtes Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Da Bewegung allerdings auch in ganz viele andere beeinflussbare Risikofaktoren spielt, ist das tatsächliche Risiko durch einen körperlich inaktiven Lebensstil noch höher: Menschen, die sich regelmäßig bewegen, haben ein niedrigeres Risiko für eine Depression, für Diabetes Typ 2, für Übergewicht und für Bluthochdruck. Daher ist körperliche Bewegung ein guter und großer Hebel, um das individuelle Demenz-Risiko zu senken.

Was empfehlen Sie konkret: Welche körperlichen Aktivitäten sind besonders wirksam, um das Gehirn fit zu halten – auch noch im hohen Alter? Gibt es Übungen oder Gewohnheiten, die Sie besonders empfehlen?

Gerade körperliche Aktivitäten in Gesellschaft tun dem Gehirn besonders gut. Tanzen beispielsweise deckt direkt mehrere Aspekte ab: man ist in Gesellschaft, fühlt sich nicht einsam, erfährt Unterstützung durch andere Teilnehmende oder Tanzlehrer, spricht mit anderen Menschen, hört Musik, die Erinnerungen wecken kann oder neue Erinnerungen schafft, lernt neue Bewegungsabläufe und setzt diese direkt um, bewegt sich also. Wenn jemand nicht mehr so mobil ist, kann auch Sitzgymnastik in einer Gruppe mit musikalischer Begleitung vorteilhaft sein. Das Wichtigste ist allerdings, Spaß an der Aktivität zu haben!

In zahlreichen unserer Wohnstifte gibt es Tanzkurse. Tanzen ist ja ein komplexes Ganzkörper-Training mit kognitiven und sozialen Komponenten. Können Tanzeinheiten bei älteren Erwachsenen zum Erhalt oder zur Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit führen?

Tanzen ist hoch wirksam und wirkt präventiv gegen etliche Erkrankungen, auch gegen kognitive Einschränkungen.

Schränkt eine demenzielle Erkrankung die Bewegungsfähigkeit eines Menschen eigentlich ein?

Das kommt ganz auf die Form und das Stadium der Demenz an. Eine Parkinson-Demenz oder eine Lewy-Körperchen-Demenz schränken die Bewegungsfähigkeit ein. Bei anderen Demenzformen hängt das dann oft eher mit Begleiterkrankungen oder Koordinationseinschränkungen zusammen. Deshalb ist es wichtig, auf die individuellen Fähigkeiten der einzelnen Personen zu schauen und angepasst an diese Fähigkeiten Übungen mit der Person durchzuführen. Auch ist es sinnvoll, an Vorerfahrungen und bestehende Vorlieben anzuknüpfen und Bewegungen und Übungen zu vertiefen, die die Person schon kennt und mag.

Können Spiele, Biografiearbeit, Musik oder Kunst den Geist wach halten – auch bei beginnender Demenz?

Auf jeden Fall! Spiele, Biografiearbeit, Ergotherapie, Logopädie oder andere aktivierende Therapien werden auch gerne als nichtmedikamentöse Therapiemöglichkeiten bei Menschen mit Demenz angewendet, um sie kognitiv fit zu halten und die Lebensqualität länger aufrechtzuerhalten. Gerade sekundärpräventiv, also nach dem Erhalt der Diagnose, sind diese Formen der Therapie sehr wirksam. Die beeinflussbaren Risikofaktoren, beispielsweise Depressionen, können den Verlauf der Demenzerkrankung beeinflussen. Wenn die Menschen aktiviert werden und sich beschäftigen, ist der Verlauf oft milder, und die Lebensqualität der Menschen steigt.

Bei demenziell Erkrankten ist besonders das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Kann man das trainieren?

Je mehr trainiert wird, desto größer die kognitive Reserve. Das bedeutet, dass mehr Verbindungen zwischen den Nervenzellen bestehen und es länger dauert, bis alle Verbindungen abgebaut werden und sich Symptome zeigen. Daher ist es zu jedem Zeitpunkt im Leben wichtig, etwas für die geistige Gesundheit zu tun. Hinweise darauf lieferte auch die Nonnen-Studie. Nonnen haben einen sehr aktiven Lebensstil. In den Gehirnen der Nonnen wurden nach ihrem Tod die typischen Proteinablagerungen gefunden, die die Alzheimer-Krankheit ausmachen, jedoch zeigten die Nonnen zu Lebzeiten keine Alzheimer-typischen Symptome. Daraus wurde geschlossen, dass ein aktiver Lebensstil nicht nur die Muskeln, sondern auch das Gehirn trainiert und es so weniger anfällig für Krankheiten macht.

Gibt es neue Technologien oder Innovationen, die den Alltag mit Demenz erleichtern können?

Die Digitalisierung und Einführung technischer internetbasierter Geräte können den Alltag mit Demenz erleichtern. Aktuell ist leider noch häufig der Fall, dass ältere Menschen nicht gut mit technischen Geräten umgehen können. Daher ist es wichtig, technische Geräte auf die Fähigkeiten älterer Menschen anzupassen und sie so zugänglich zu machen. Beispielsweise gibt es in den Niederlanden einen Kompass, der immer nach Hause zeigt. So können Menschen mit Demenz im Anfangsstadium noch selbstständig nach draußen und finden nach Hause, auch, wenn sie mal in die falsche Straße einbiegen. Das Gerät ist haptisch ansprechend gestaltet und nutzt die GPS-Technologie.In der Zukunft wird die Implementierung von Tablets, Lautsprechern oder auch Smartwatches einfacher werden, da die jüngere Generation das Internet kennt und mit ihm und technischen Geräten vertraut ist.

„Gerade körperliche Aktivitäten in Gesellschaft tun dem Gehirn besonders gut.“

Dr. Anna Pfitzer-Bilsing

Welche Rolle spielt Lebensfreude dabei, geistig und körperlich aktiv zu bleiben?

Lebensfreude spielt eine enorm große Rolle! Es gibt sicherlich Tätigkeiten, die einem Spaß machen, und diese sollte man wählen. Wenn man unter Zwang Aktivitäten nachgeht, weil man denkt, man „muss“ diese machen, um fit zu bleiben, ist der positive Effekt verringert. Es hilft, an Vorerfahrungen oder Hobbys anzuknüpfen, die man vielleicht zuletzt in der Jugend gemacht hat und die einem Freude bereitet haben. Nur, wenn man wirklich interessiert ist und man Freude hat, funktioniert das Lernen richtig.

Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft im Umgang mit älteren Menschen und dem Thema Demenz?

Ich wünsche mir, dass das Thema Demenz enttabuisiert wird. Menschen mit Demenz sind Menschen, die in unserer Gesellschaft leben. Es ist nicht so, dass Menschen mit Demenz nichts Neues mehr lernen können, man muss sich nur an den Bedürfnissen und Fähigkeiten orientieren. Menschen mit Demenz leben zwar ab einem gewissen Punkt der Erkrankung in ihrer eigenen Realität, verspüren aber nach wie vor Emotionen des Umfelds. Ein respektvoller Umgang mit Menschen mit Demenz und Aufklärung in der Gesellschaft sind wünschenswert.

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